Offen für gute Fragen

Offen für gute Fragen

Marcus Taylor

8. Februar 2019

Marcus Taylor erforscht Kommunikation. Genauer: die Kommunikation der Zellen unseres Immunsystems. Sein wichtigstes Forschungsinstrument dafür ist ein hochmodernes High Resolution-Mikroskop. Um zu zeigen, wie er die zellulären Gespräche entschlüsselt, schaltet Taylor das Mikroskop ein. Computer fahren hoch, nach einer Weile leuchten die Monitore auf. Sie zeigen Bilder aus einer anderen Welt: Kleine Pünktchen in Weiß, Rot und Grün flimmern über den Schirm, ein Rauschen, das für den Laien verwirrend wirkt.

Zur Erklärung zeigt Taylor auf eine Häufung grüner Punkte: „Das ist eine Ansammlung von Signalmolekülen in einer Zelle des Immunsystems. Jeder Punkt ist ein Molekül. Wenn die Konzentration der Moleküle in diesem Bereich der Zelle einen bestimmten Wert überschritten hat, löst das ein Signal aus. Beispielsweise schüttet die Immunzelle dann Botenstoffe aus, die etwa andere Immunzellen herbeilocken. Oder die Zelle wird aktiv und tötet Krankheitserreger ab.“

Die zentrale Frage von Taylors Forschung ist also, wie Immunzellen auf molekularer Ebene kommunizieren: Wie erspüren sie die Informationen, die von den Botenstoffen anderer Zellen vermittelt werden? Wie verarbeiten sie die Information und wie geben sie diese weiter? Um Antworten zu bekommen, baut Taylor seit Ende 2017 sein Labor „Visualisation of Immune Signalling“ am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie (MPI-IB) in Berlin auf.

Bevor der gebürtige Australier nach Berlin kam, hatte er Studien- und Forschungsstationen in England, in den USA und Indien. „Ursprünglich habe ich mal Biochemie studiert“, erzählt Taylor: „Aber jede Station in meinem Lebenslauf hat mich mit einer neuen Forschungsrichtung in Berührung gebracht, die die Ausrichtung meiner eigenen Arbeit wesentlich beeinflusst hat.“

Zur Biochemie kamen so Biologie, Computerwissenschaften, Ingenieurswesen oder Physik hinzu. „Besonders spannend war die Zeit in Indien“, sagt der schlaksige Mitt-Dreißiger: „Dort bin ich auf die theoretische Physik gestoßen.“ Wie passen denn Biologie und theoretische Physik zusammen? Taylor: „Mich hat interessiert wie die Zellen sicherstellen, dass sie wirklich die richtige Information korrekt weitergeben. In der theoretischen Physik gibt es seit langem Konzepte, die sich genau um dieses Problem der Qualitätssicherung bei der Informationsweitergabe drehen. Diese Konzepte habe ich auf die Kommunikation der Immunzellen übertragen – und dabei eine Menge gelernt.“

Dafür hat sich der Biochemiker eine ganz neue wissenschaftliche Denkweise angeeignet, wie Taylor sagt: „Anfangs musste ich mit den Kollegen aus der theoretischen Physik erstmal eine gemeinsame Basis des Austauschs finden. Es war unglaublich bereichernd, als das gelungen war. Es hilft mir, jetzt viel konzeptioneller zu denken und Forschungsfragen klarer herauszuarbeiten.“

In diesem Film aus einem "total internal reflection"-Mikroskop sind einzelne Moleküle eines DNA-Liganden (rote Punkte) zu sehen, die sich auf der Oberfläche einer T-Zelle (grüne Färbung) abwechselnd andocken und wieder ablösen.

Gute Forschungsfragen waren es auch, die Taylor bei seinen Bewerbungsgesprächen am MPI neben der hervorragenden Ausstattung am meisten beeindruckt haben: „Mir war schnell klar: Hier finde ich Kollegen, mit denen richtig gute Diskussionen möglich sind. Bei denen Fragen entstehen, die die Forschung am ganzen Institut voranbringen.“ Ein weiteres Argument für Berlin: Die Max-Planck-Gesellschaft war bereit, etwa eine halbe Million Euro in die Anschaffung des High Resolution-Mikroskops – eines so genannten „Total internal reflection“-Mikroskops zu investieren. „Dass es damit möglich ist, einzelne Moleküle bei der Kommunikationsarbeit zu beobachten, gibt meiner Forschung natürlich unglaublichen Schub“, so Taylor.

So waren die Weichen für den Umzug gestellt. Der Weltenbummler in Sachen Forschung zog 2017 mit Frau, drei Kindern und Sack und Pack nach Berlin. „Wir sind hier wirklich gut angekommen. Die Stadt macht das Ankommen leicht, und die Kinder saugen die deutsche Sprache einfach nur so auf. Im Gegensatz zu mir, ist es für sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel.“

Sprachenlernen ist aber auch gerade nicht Taylors Hauptbeschäftigung. Er will sein Team erweitern; Bewerbungsgespräche stehen für ihn ganz oben auf der Agenda: „Ich bin jetzt dabei, weitere gute Leute für die Arbeit im Lab zu finden. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für mein Thema, die Visualisierung von Signalen des Immunsystems, begeistern können.“ Und was ist die Einstellungsvoraussetzung, Marcus? „Gute Fragen zu stellen. Gute Fragen bringen uns voran.“

Hannes Schlender

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