„Das Beste aus zwei Welten“

Interview mit der neuen Lise-Meitner-Gruppenleiterin Silvia Portugal

20. Juli 2020
Silvia Portugal ist seit dem 1. Juli Lise Meitner-Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Die portugiesische Wissenschaftlerin leitet die Forschungsgruppe "Biologie der Malaria-Parasiten". Am MPIIB wird Silvia Portugal die Forschung ihrer früheren Heidelberger Arbeitsgruppe fortsetzen – sie untersucht, wie Malariaparasiten die Trockenzeit in menschlichen Wirten überleben, ohne Malariasymptome hervorzurufen. Im Interview erzählt Silvia Portugal, warum sie sich entschieden hat, ans MPIIB zu kommen, was sie an Malariaforschung fasziniert und wie die COVID-19-Pandemie ihre Arbeit beeinflusst hat.

Sie haben Ihre Stelle gerade erst angetreten, wie sind Ihre Pläne für die kommenden Wochen?

Auf der einen Seite kommen angenehme Pflichten auf mich zu: Ich freue mich darauf, die Stadt, das Institut und meine neuen Kollegen kennenzulernen. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge notwendige Dinge zu tun, wie z.B. die Beschaffung von Ausrüstung und Genehmigungen für den Probentransfer. Außerdem kommen einige Mitglieder meines Heidelberger Labors zu mir nach Berlin. Hier müssen wir die Verträge übertragen und einen reibungslosen Übergang sicherstellen. Das sind wohl die weniger spannenden Aufgaben, die in den kommenden Wochen erledigt werden müssen.

Sie haben für vier Jahre eine Arbeitsgruppe in Heidelberg geleitet. Haben Sie sich schon an Deutschland gewöhnt?

Ja, aber ich habe gehört, dass Berliner nicht die typischen Deutschen sind. Ich bin gespannt, herauszufinden was das bedeutet.

Was hat Sie an der Stelle am MPIIB gereizt?

Das MPIIB ist für mich eine große Chance: Die Forschungsgruppen sind relativ breit aufgestellt, trotzdem gibt es ein gemeinsames Thema – die Infektionsbiologie. Meine Doktorarbeit habe ich an einem Institut gemacht, an dem Arbeitsgruppen zu allen möglichen Themen geforscht haben, von Krebs über Infektionen bis hin zur Entwicklungsbiologie. Als ich dann in Heidelberg meine erste unabhängige Gruppe aufgebaut habe, war die ganze Abteilung auf Malaria konzentriert. Der Input war großartig, aber manchmal habe ich ein breiteres Spektrum vermisst. Hier am MPIIB werde ich also das Beste aus zwei Welten bekommen. Ich freue mich schon darauf, meine Ergebnisse regelmäßig mit Kollegen zu teilen, die eine andere Perspektive auf Infektionsbiologie haben als ich.

Darüber hinaus hoffe ich, dass ich am MPIIB Unterstützung für Feldstudien erhalte. Ich bin zurzeit schon an Studien beteiligt und habe das Glück mit tollen Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten – aber die Durchführung eigener Feldstudien, die auf die Forschungsfragen meiner Gruppe zugeschnitten sind, wird ein echter Vorteil sein. Im Universitätssystem wäre es wahrscheinlich sehr schwierig, langfristig genügend Mittel dafür zu erhalten.

Und mit Ihnen startet eine ganze Reihe junger Gruppenleiter*innen am MPIIB…

Was ich toll finde! Schon in Heidelberg haben parallel mit mir viele junge Forschungsgruppen ihre Arbeit aufgenommen. Darum bin ich sicher, dass das Team am MPIIB für uns alle eine große Chance ist.

Was waren die Stationen Ihrer bisherigen Karriere?

Ich habe Biologie in Porto studiert und nach meinem Abschluss ein Gap-Year genommen – in der Zeit habe ich ehrenamtlich in einem HIV-Projekt in Botswana gearbeitet. Danach habe ich in Lissabon bei Maria Mota promoviert und angefangen, mit Malaria zu arbeiten. Vor meiner Postdoc-Zeit habe ich noch ein spannendes dreimonatiges Kurzstipendium in Sao Paulo bekommen, wo ich Malaria bei Pinguinen untersucht habe.

Kurz danach bin ich in die USA gezogen und habe fünfeinhalb Jahre lang als Postdoc an den NIH, den National Institutes of Health, gearbeitet. Dort habe ich meine ersten Studien mit archivierten Proben von Malariapatienten aus Mali begonnen. Im Jahr 2016 bin ich dann nach Heidelberg gezogen, um meine eigene Forschungsgruppe am Universitätsklinikum aufzubauen. Und jetzt bin ich hier am MPIIB, zehn Jahre nach meiner Promotion.

Könnten Sie bitte kurz Ihr Forschungsprogramm skizzieren?

Wir wollen verstehen, wie der Malariaparasit Plasmodium falciparum damit umgeht, dass die Moskitos während der Trockenzeit ausbleiben. Für seinen Lebenszyklus muss der Parasit zwischen Menschen und Moskitos wechseln. Solange es Moskitos und Menschen in der gleichen Region gibt, kann dieser Zyklus ständig rotieren. In den meisten Gegenden ist die Übertragung jedoch jahreszeitlich bedingt: Während der Trockenzeit regnet es mehrere Monate lang nicht – und wenn es kein Wasser gibt, gibt es keine Moskitos. Eigentlich müsste das den Zyklus unterbrechen, aber in der nächsten Regenzeit beobachten wir immer noch neue Infektionen.

Unsere Forschungsfrage ist: Wie überlebt der Parasit die Trockenzeit und wie kann er später wieder „auftauchen“? Wir wissen, dass sich Plasmodium während der Trockenzeit im Menschen aufhält, aber keine der infizierten Personen zeigt in dieser Zeit klinische Malariasymptome. Deshalb versuchen wir, die molekularen Mechanismen hinter diesen stillen Infektionen zu analysieren. Wie können Menschen, die mit Malaria-Parasiten infiziert sind, erst krank werden, wenn die Moskitos in der Regenzeit zurückkehren? Und wie kann der Parasit jedes Jahr die Übertragung wieder neu aufnehmen?

Nach mehr als 13 Jahren Malariaforschung: Was fasziniert Sie an Malaria?

Naiverweise wollte ich die Welt verbessern – das war mein erster Gedanke. Die Bekämpfung armutsbedingter Krankheiten war und ist mir sehr wichtig. Wenn man sich in das Thema Malaria einarbeitet, findet man aber schnell heraus, wie erstaunlich und spannend Plasmodium ist. Trotzdem würde ich wahrscheinlich dasselbe über andere Erreger sagen, wenn ich nur an ihnen arbeiten würde. Plasmodium ist ein komplexer Eukaryot mit einem großen Genom – das macht es sehr interessant und gleichzeitig herausfordernd mit dem Parasiten zu arbeiten. Was aber am wichtigsten ist: Ich kann für Plasmodium Forschungsfragen herausarbeiten und dann beantworten.

Hat die COVID-19-Pandemie Ihre Forschung beeinflusst?

Nicht allzu sehr – in Heidelberg waren wir etwa drei Wochen nicht im Labor. Aber außer der Bereitstellung von Reagenzien und Geräten für die COVID-19-Diagnostik mussten wir kaum etwas tun. Dieser minimale Einsatz hat wohl ausgereicht, weil das deutsche Gesundheitssystem relativ gut ausgestattet und vorbereitet war.

In der Arbeitsgruppe haben wir vor allem versucht, Ruhe zu bewahren und uns zu beschäftigen. Datenanalysen, Literaturrecherche und Online-Meetings kann man auch von zu Hause machen. Wir haben auch versucht, die Entwicklungen der Pandemie im Auge zu behalten – zum Beispiel als der Hype um Hydroxychloroquin losging. Das Medikament wurde früher als Anti-Malaria-Mittel eingesetzt und dann als potenzielles Anti-SARScov-2-Medikament in Erwägung gezogen. Nach den drei Wochen sind wir dann schon wieder in unser Labor zurückgekehrt – mit Masken und social distancing Maßnahmen.

Was gefällt Ihnen am besten an der Arbeit als Wissenschaftlerin?

Am besten gefällt es mir, sich das eine Experiment auszudenken, dass den Durchbruch liefern wird – ein Versuchsaufbau, der die gesuchte Variable isoliert. Man weiß, dass man nach diesem Experiment seine Anfangsfrage beantworten kann. Ich glaube, dass mir das sogar oft mehr Freude bereitet, als das eigentliche Endergebnis.

Die Fragen stellte Christian Denkhaus

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