"Malaria ist unser Problem und wir sind die, die es lösen müssen"

Interview mit Moussa Niangaly, dem Leiter der neuen MPIIB-Partnergruppe in Mali

20. Oktober 2021

Für Malariaforschung ist Feldarbeit essentiell. Die neu gegründete Partnergruppe des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie (MPIIB) am Malaria Training and Research Center (MRTC) in Bamako, Mali, führt darum eine mehrjährige Feldstudie in einem Gebiet durch, das stark von der Krankheit betroffen ist. Mit 6,5 Millionen Fällen und mehr als 11.000 Toten im Jahr 2019 ist Malaria noch immer eines der größten Gesundheitsrisiken in Mali.
Malaria wird durch einen Parasiten ausgelöst, der von Moskitos auf Menschen übertragen wird. In Trockenzeiten überleben die Parasiten auch ohne Moskitos, die sie weiterverbreiten. Die fünfjährige Forschungskooperation will den Mechanismen hinter dem Überleben der Parasiten in der Trockenzeit auf den Grund gehen und zu einem besseren Verständnis der Interaktion zwischen Parasiten und menschlichem Wirt beitragen. Die Ergebnisse haben das Potenzial, die Kontrollstrategien vor Ort zu verbessern und bei der Ausrottung der Krankheit zu helfen. Leiten wird die neue Forschungsgruppe Moussa Niangaly, der die letzten acht Monate als Forscher im Labor von Silvia Portugal am MPIIB verbracht hat. Im Interview spricht er über die Zusammenarbeit mit dem MPIIB, Möglichkeiten, die Ausbreitung von Malaria einzudämmen und erzählt, was ihn an der Wissenschaft fasziniert.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen Dir und dem MPIIB?

Silvia und ich lernten uns 2011 kennen. Ich habe in der Zeit an einer Kohortenstudie am MRTC mitgewirkt, in die sie ebenfalls involviert war. Durch ein Stipendium bei der European Vaccine Initiative kam ich an die Universität Heidelberg, wo Silvia ihre eigene Nachwuchsgruppe geleitet hat. Sie hat mir angeboten, in ihrem Labor die Kultivierung von Malariaparasiten zu lernen und ihr Team beim Mikroskopieren von Parasiten zu unterstützen. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben.

Als Silvia Gruppenleiterin am MPIIB wurde, war die Möglichkeit einer internationalen Partnergruppe eine tolle Gelegenheit für uns, zusammen an unserem gemeinsamen Forschungsinteresse zu arbeiten. Mit unserer Forschung zu asymptomatischen Malariaparasiten in der Trockenzeit hoffen wir, einen Beitrag zu Malariabekämpfungsstrategien in den betroffenen Gebieten leisten zu können.

Wie hast Du Deinen Forschungsaufenthalt am MPIIB erlebt?

Ich kam im Januar 2021 hier an. Anfangs war die Zeit hier eine echte Herausforderung, und das nicht nur wegen der Corona-Situation. Ich bin Mediziner und habe nie intensiv in der Biologie oder in einem Labor gearbeitet. Die größte Herausforderung bestand darin, meine Expertise umzuwandeln. Während meines Aufenthalts in Berlin habe ich Methoden wie DNA-Extraktion und PCR gelernt, die wir für unsere Studie in Mali benötigen.

Was waren Deine Erwartungen, bevor Du hierherkamst?

Malaria ist ein großes Gesundheitsproblem in vielen afrikanischen Ländern und insbesondere in Mali, wo ein großer Teil der Bevölkerung in Armut lebt. Malaria ist unser Problem und wir sind die, die es lösen müssen. Niemand kann diese Krankheit besser bekämpfen als wir vor Ort. Das ist der Grund, warum ich hier bin: Die Zusammenarbeit mit dem MPIIB kann uns wirklich dabei helfen. Es ist eine große Chance für uns, um uns neue Methoden anzueignen und Einblicke in die Grundlagenforschung zu bekommen, die wir dann praktisch in der Feldforschung anwenden können.

Was ist für die Forschungspartnerschaft mit dem MPIIB geplant?

Der erste Schritt besteht darin, das Labor für meine Gruppe in Bamako einzurichten und das Team dort zusammenzustellen. Außerdem muss ich mich um die Verwaltung kümmern und unser Projektprotokoll von der Ethikkommission der Charité in Berlin und der Fakultät für Medizin sowie der Fakultät für Pharmazie in meiner Institution in Mali genehmigen lassen.

Im Januar 2022 wollen wir die Studienteilnehmenden rekrutieren. Voraussichtlich werden etwa 250 Kinder und Jugendliche an der Untersuchung teilnehmen. Dafür benötigen wir aber zuerst die Einwilligung der Gemeinde, in der wir die Studie durchführen wollen. Wir brauchen die Zustimmung der Vertreter vor Ort, z.B. vom Dorfvorsteher und dem Gesundheitszentrum der Gemeinde. Sobald wir die Einwilligung haben, können wir mit dem Sammeln der Proben beginnen: um die asymptomatischen Malariafälle in der Übertragungszeit genauer zu verstehen, nehmen wir allen Studienteilnehmenden Blut ab. Wir werden uns auf die Teilnehmenden konzentrieren, die bei der Anmeldung einen positiven PCR-Test für asymptomatische Malaria aufweisen. Blutproben werden aber auch von Teilnehmenden genommen, die ihre erste Episode von Malaria durchlaufen oder an einer klinischen Malaria in der Trockenzeit erkrankt sind. Die Proben werden zuerst in Mali analysiert, weitere Untersuchungen werden dann am MPIIB durchgeführt.

Was wünscht Du Dir, in den fünf Jahren der Kooperation zu erreichen?

Mit unserer Arbeit hoffen wir, einen Beitrag zu den Kontroll- und Eliminierungsmaßnahmen leisten zu können. Momentan konzentrieren sich die Bemühungen zur Malariabekämpfung auf die akuten und symptomatischen Fälle. Wir wissen aber, dass die asymptomatischen Fälle aus der Trockenzeit die Hauptquelle für die Ansteckung der Moskitos zu Beginn der Regensaison sind. Wenn sich alle Bekämpfungsstrategien auf den klinischen Teil der Krankheit konzentrieren, entgeht uns also ein wesentlicher Teil des Problems.

Neben der Forschung dürfen aber andere Möglichkeiten, Malaria zu bekämpfen, nicht vergessen werden. Menschliche Umwelteingriffe und die Infrastruktur beeinflussen ebenfalls, ob sich Moskitos weitervermehren und die Krankheit übertragen können. Wir als Forschende können zwar unseren Beitrag leisten, aber die Bekämpfungsstrategien müssen ebenso an Faktoren wie der Abwasser- und Müllentsorgung ansetzen, um die Überlebenschancen der Moskitos zu mindern.

Wie bist Du zur Wissenschaft gekommen?

Das ist eine lange Geschichte. Als High-School-Schüler lernte ich 1998 Dr. Kassoum Kayentao kennen. Er ist Forscher am MRTC und heute mein Vorgesetzter. Mit seinem Team kam er in mein Heimatdorf Koro, um dort Feldforschung zu Malaria zu machen. Eines Abends haben wir uns getroffen und im Gespräch schnell gemerkt, dass wir gut zusammenarbeiten könnten. Weil ich das Dorf und die Menschen dort gut kannte, wurde ich für drei Monate sein Ansprechpartner vor Ort. Ich war das Bindeglied zwischen den Wissenschaftlern und den Studienteilnehmenden. Wenn die Forschenden die Teilnehmenden untersuchten oder Proben von ihnen nehmen wollten, war ich derjenige, der den Kontakt hergestellt hat.

Zwei Jahre später, im Jahr 2000, habe ich meinen Bachelorabschluss gemacht und wurde an der University of Sciences, Techniques and Technologies in Bamako an der Fakultät für Medizin angenommen, wo Dr. Kayentao forscht. Während dieser Zeit sind wir in Kontakt geblieben und am Ende meines Studiums habe ich ihn gefragt, ob ich meine Doktorarbeit bei ihm schreibe könne. Er hat Ja gesagt und seitdem arbeite ich in der Wissenschaft.

Aber ich wollte schon Arzt werden, bevor sein Forschungsteam in mein Dorf kam. Ich war schon immer jemand, der Menschen helfen wollte. Wenn ich als Kind mit meinen Freunden gespielt habe, habe ich immer die Rolle des Mediziners übernommen.

Was gefällt Dir an der Arbeit als Wissenschaftler?

Bevor ich Wissenschaftler wurde, habe ich während meines Medizinstudiums als Arzt im Krankenhaus gearbeitet. Oft verschreiben Ärzte nur Medikamente und schicken den Patienten dann in die Apotheke. Den ersten Schritt muss aber die Wissenschaft machen: Für mich ist das Spannende, dass die klinische Forschung von heute die medizinische Praxis von morgen ist. Ohne Wissenschaft gibt es keine Medikamente.

Das Interview führte Hanna Leitner.

Moussa Niangaly ist seit Oktober 2021 Leiter der Max-Planck-Partnergruppe am Malaria Training and Research Center in Bamako, Mali. Nach seinem Medizinstudium ist er seit 2009 in der klinischen Forschung tätig. Der Fokus seiner Forschung ist Malaria in der Schwangerschaft und seit Kurzem die natürlich erworbene Immunität gegen Malaria.

 

 

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