Epidemiologen berechnen, welche und wie viele Daten für die Bestimmung der Impfschutz-Dauer ausreichen
Zu wissen, wie lange eine Impfung schützt, ist entscheidend für die Planung von Impfkampagnen gegen neue Krankheitserreger. Die Forschungsgruppe von Matthieu Domenech de Cellès am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin hat nun gezeigt, wie schnell sich diese Schutzdauer nach Beginn einer Impfkampagne mit epidemiologischen Standarddaten abschätzen lässt. In ihren Studien simulierten die Forschenden die Dynamik der Corona-Pandemie in Deutschland und fanden heraus, dass Unterschiede in der individuellen Schutzdauer ein wichtiger Faktor für diese Schätzung sind. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Royal Society Interface veröffentlicht.
Was muss eine Impfung leisten? Sie soll vor Ansteckung und Krankheit und schützen und das möglichst effizient und lange. Als die ersten Studienergebnisse zu Impfstoffen gegen das Coronavirus vorlagen, waren die Hoffnungen groß: Einige Impfstoffe schützten mit einer Effizienz von bis zu 93 % vor Infektionen und schweren Erkrankungen. Unklar blieb jedoch, wie lange dieser Schutz anhalten würde. Die notwendigen Daten konnten erst im Laufe der Zeit erhoben werden, als die ersten Geimpften sich infizierten oder als Studienergebnisse über die Antikörperkonzentration im Blut von Geimpften vorlagen.
Matthieu Domenech de Cellès wollte deshalb herausfinden, welche und wie viele epidemiologische Daten ausreichen würden, um die Dauer des Impfschutzes abzuschätzen. Gemeinsam mit seinem Team am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin führte der Mathematiker eine Simulationsstudie der Corona-Pandemie durch. Die Forschenden passten ein bestehendes mathematisches Modell der Corona-Übertragung an, um das Auftreten von Infektionen in Deutschland nach Beginn der Impfkampagne zu simulieren. In das Modell flossen Parameter wie Übertragungsraten, Infektionsdauer und Informationen aus klinischen Studien zu den Impfstoffen ein. "Wir haben versucht, das gesamte Wissen einzubeziehen, das wir zu diesem Zeitpunkt hatten", so Domenech de Cellès.
Mit ihrem Modell konnten die Forschenden die Entwicklung der Corona-Pandemie nachverfolgen und überprüfen, ab wann eine korrekte Vorhersage über die Dauer des Impfschutzes möglich war. Den Forschenden war es wichtig, die Dauer des Schutzes anhand regelmäßig erhobener Daten abzuschätzen. Für ihre Schätzung simulierten sie epidemiologische Standarddaten, wie sie beispielsweise vom Robert-Koch-Institut in Deutschland veröffentlicht werden: Corona-Fälle pro Tag und das Alter der Infizierten. Das Team von Domenech de Cellès konnte so zeigen, dass die Dauer des Impfschutzes oft schon mit Daten von weniger als einem Jahr nach Beginn der Impfkampagne korrekt geschätzt werden kann.
Mit diesen Informationen könnten Impfkampagnen in Zukunft präziser gesteuert werden – Epidemiologen könnten zum Beispiel entscheiden, wann Auffrischungsimpfungen durchgeführt werden sollten oder wann man sich auf weitere Erstimpfungen verlassen sollte. Gerade in Zeiten der Impfstoffknappheit ist diese effiziente Planung entscheidend.
In ihrer Studie zeigten die Forschenden auch, dass Unterschiede in der individuellen Schutzdauer der Geimpften ein wichtiger Faktor für die Schätzung waren. Das Immunsystem reagiert individuell unterschiedlich auf Impfungen – das Ausmaß dieser Unterschiede wird als immunologische Heterogenität bezeichnet. Manche Menschen verlieren ihren Impfschutz schon nach wenigen Wochen, bei anderen hält er viel länger an. Bisher lag das Hauptaugenmerk jedoch auf der durchschnittlichen Dauer des Schutzes. Domenech de Cellès erklärt: "Für künftige Impfkampagnen ist es wichtig, auch die Unterschiede in der Dauer des Impfschutzes zu kennen, um die Gesamtwirkung der Impfung beurteilen zu können."
Die Ergebnisse des Teams lassen sich auch auf andere Impfstoffe anwenden. Die Forschungsgruppe von Domenech de Cellès arbeitet bereits an der Entwicklung von Modellen zur Untersuchung anderer Impfstoffe, wie etwa gegen Masern, Pneumokokken oder Keuchhusten.