Veröffentlichung der Tierversuchszahlen für 2023
 

24. April 2024

Am 24. April ist internationaler Tag des Versuchstiers. Wir nehmen diesen Tag zum Anlass, die Tierversuchszahlen des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie zu veröffentlichen. Der Großteil der Tierversuche im Jahr 2023 wurde zur Erforschung der Infektionskrankheiten Typhus und Tuberkulose an Mäusen und Zebrafischen durchgeführt.

Im Jahr 2023 wurden am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie insgesamt 1774 Tierversuche durchgeführt, rund 30 % mehr als im Vorjahr (2022: 1351 Tierversuche). Dieser Anstieg ist auf eine höhere Zahl von Zebrafischversuchen für die Tuberkuloseforschung zurückzuführen, während die Zahl der Versuche an Mäusen im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben ist. Mäuse wurden am Institut vor allem zur Erforschung der Infektionskrankheit Typhus eingesetzt. Im Gegensatz zu den Jahren 2021 und 2022 wurden im Jahr 2023 keine Ratten für Versuche am Institut genutzt. Die steigende Anzahl der Zebrafischversuche setzt den Trend der vorherigen Jahre fort, da der Forschungsgruppenleiter Mark Cronan mit seiner im Jahr 2021 etablierten Arbeitsgruppe „In Vivo Zellbiologie der Infektionen“ die Tuberkuloseforschung weiter ausgebaut hat.

Tuberkuloseforschung am Zebrafisch ausgebaut

Tuberkulose ist eine der häufigsten Todesursachen durch einen einzelnen Erreger und jährlich erkranken mehr als zehn Millionen Menschen an Tuberkulose. Die Forschungsgruppe von Mark Cronan untersucht sogenannte Tuberkulose-Granulome – knötchenförmige Ansammlungen von Immunzellen, die sich um Tuberkulose-Bakterien bilden. Diese Zellansammlungen schränken die Fähigkeit von Immunzellen und Antibiotika ein, die darin enthaltenen Bakterien zu erreichen und erschweren so die Behandlung der Krankheit. Ein Ziel der Tuberkuloseforschung ist es daher, die Granulome besser zu verstehen, um Therapien gegen die eingeschlossenen Bakterien zu entwickeln.

Aufgrund des komplexen Zusammenspiels von Erregern und Immunzellen kann die Entstehung von Granulomen nur am lebenden Organismus untersucht werden. Beim Menschen bilden sich Granulome meist in der Lunge. Mäuse entwickeln Granulome, die sich jedoch deutlich von den menschlichen Granulomen unterscheiden. Obwohl Zebrafische keine Lunge haben, bilden sie bei einer Tuberkulose-Infektion Strukturen, die den menschlichen Granulomen sehr ähnlich sind. Aus diesen Gründen werden Zebrafische häufig in der Tuberkuloseforschung eingesetzt – dank dieses Modells konnten Forscherinnen und Forscher bereits viele Fragen rund um das Granulom und die Prozesse während der Infektion beantworten.

Um Tuberkulosegranulome zu untersuchen, infizieren die Mitarbeitenden der Arbeitsgruppe Zebrafische mit dem Bakterium Mycobacterium marinum, einem nahen Verwandten des Tuberkuloseerregers des Menschen. Die Fische erkranken an dem Erreger und bilden Granulome, weshalb der Versuch in der gesetzlichen Einstufung als mittlere Belastung gewertet wird. Weitere Informationen über die Schweregrade von Tierversuchen finden Sie hier.

Darüber hinaus wurden viele Versuche an Zebrafischen zur Genotypisierung durchgeführt. Mit diesen Versuchen überprüfen die Forschenden die Zusammensetzung des Erbguts der Fische. So können sie zum Beispiel feststellen, ob eine gentechnische Veränderung erfolgreich war. Um genetisches Material für die Untersuchung zu gewinnen, genügt ein Abstrich der Schuppen mit einem Wattestäbchen. Da die Fische dazu in ein gesondertes Becken gesetzt werden und Material von der Hautoberfläche abgestrichen wird, muss auch dieser Vorgang als Tierversuch beantragt und nachgehalten werden. Die Untersuchungen gelten in der gesetzlichen Einstufung als Versuche mit geringer Belastung.

Zahl der Mausversuche bleibt konstant

Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl der Mausversuche nahezu konstant geblieben. Im Jahr 2023 wurden 732 Mäuse in Versuchen eingesetzt, im Jahr 2022 waren es 751 Mäuse. Die meisten Versuche mit Mäusen wurden am Institut zur Erforschung von Typhus durchgeführt. Jedes Jahr erkranken mehr als zehn Millionen Menschen an Typhus, mehr als 100.000 sterben daran. Die Forscherinnen und Forscher der Arbeitsgruppe Zelluläre Mikrobiologie wollen anhand von Typhus grundlegende Krankheitsmechanismen untersuchen. Denn es gibt Menschen, die sich mit dem Typhuserreger infizieren, diesen tolerieren und für andere hochansteckend sind, selbst aber keine Symptome entwickeln. Dieses Phänomen der „stillen Träger“ gibt es auch bei anderen Infektionskrankheiten und ist kaum erforscht.  

Eine ausführliche Erklärung von Belastungsgraden bei Tierversuchen mit den gesetzlichen Vorgaben und Beispielen für die Belastungsgrade findet sich auf der Seite der Initiative Tierversuche Verstehen.

Wie bei der Tuberkulose können bestimmte Aspekte des komplexen Wechselspiels zwischen Infektionserregern und Immunsystem nur in lebenden Organismen untersucht werden. Aufgrund ihrer genetischen Nähe zum Menschen werden für die Experimente Mäuse verwendet. So wollen die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen, welche genetischen Unterschiede für die Reaktionen auf eine Infektion verantwortlich sind. Warum also manche Mäuse durch eine Infektion mit dem Typhuserreger krank werden, andere keine Symptome entwickeln und nicht ansteckend sind, während wieder andere keine Symptome entwickeln und die Erreger trotzdem weitergeben können. Für den Versuch werden die Tiere experimentell mit dem Erreger des Maustyphus infiziert und der Krankheitsverlauf kontinuierlich überwacht. Je nach dem wie stark die Symptome der infizierten Mäuse sind, wird der Versuch bei dem jeweiligen Tier entweder als leichte, mittlere oder schwere Belastung eingestuft.

Um Experimente vergleichbar zu machen, sind Mäuse für Tierversuche üblicherweise genetisch vereinheitlicht. Bei der Suche nach den mechanistischen Grundlagen der Toleranz gegenüber Krankheiten sind die Forschenden jedoch besonders an genetischer Vielfalt interessiert. Daher verwenden sie eine spezielle Mauspopulation, die die genetischen Unterschiede zwischen Individuen innerhalb der menschlichen Bevölkerung nachahmt.

Tierversuche sind in der biomedizinischen Forschung – auch am MPIIB – nach wie vor unverzichtbar. Nach aktuellem Forschungsstand stellen sie einen wichtigen Teil des experimentellen Methodenspektrums dar, besonders für die Erforschung der komplexen Mechanismen unseres Immunsystems.

Auch wenn die Entwicklung von Alternativmethoden stetig voranschreitet und manche Tierversuche inzwischen ersetzt und die Zahl der eingesetzten Tiere reduziert werden können – ein vollständiger Ersatz von Tierversuchen ist derzeit nicht absehbar. Auch in Zukunft werden diese Versuche zum Erkenntnisgewinn und zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze und Methoden benötigt.

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