„Eine prägende Erfahrung“

Interview mit den Stipendiat*innen des International Summer Internships 2024

13. November 2024

Ingrid Mora Sanchez (Mora) und Santiago Martinez-Hernandez waren unsere MPIIB-ISI-Stipendiaten 2024. Beide absolvierten von August bis Oktober ein dreimonatiges Praktikum am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie – vollständig finanziert und ergänzt durch ein zusätzliches Workshop-Curriculum zu Forschungskompetenzen. Mora und Santiago wurden aus über 250 internationalen Kandidat*innen in einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren ausgewählt. Durch Zufall sind beide an der Universidad de los Andes in Bogotá, Kolumbien. Mora studiert Biologie im 8. Semester, Santiago hat bereits seinen Bachelor in Biomedizintechnik abgeschlossen. Im Interview mit den beiden erfahren Sie, was die die Höhepunkte ihres Aufenthalts waren, wie das Praktikum ihre Sicht auf die Wissenschaft geprägt hat und welche Ratschläge sie künftigen Praktikant*innen mit auf den Weg geben.
 

Es ist jetzt drei Monate her, dass ihr euer Praktikum am MPIIB begonnen haben, und ihr werdet euch bald auf die Heimreise begeben. Wie war euer Aufenthalt?

Santiago: Okay, ich kann anfangen. Es war großartig. Der Grad an Freiheit, den das Institut bot, war erstaunlich, sie haben buchstäblich versucht, alles für uns möglich zu machen. Ich habe mich sehr geschätzt gefühlt und es war eine tolle Erfahrung.

Mora: Es hat mein Leben wirklich verändert und ich habe viele tolle Erfahrungen gemacht, nicht nur in der Forschung. Ich habe Berlin kennengelernt und viele Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven getroffen, nicht nur im Institut, sondern auch während ich durch Deutschland gereist bin. Es hat mich auch akademisch verändert – ich weiß jetzt viel besser, was es bedeutet, ein*e Forscher*in zu sein.

Hattet ihr einen Kulturschock?

Santiago: Nicht wirklich, ich habe die erste Hälfte des Jahres in der Schweiz verbracht, die sich für mich nicht allzu sehr von Deutschland unterscheidet. Im Vergleich zu Bogotá war es vielleicht das Gefühl der Sicherheit, wenn man nachts durch die Stadt geht. Aber es gibt eine Sache, die mich wirklich beeindruckt hat: Zebrastreifen. Die Autos halten tatsächlich für dich an und die Fahrer*innen schauen dich sogar komisch an, wenn du dich dafür bedankst, dass sie dich nicht angefahren haben.

Mora: Bei Ampeln habe ich das Gegenteil erlebt. Ich finde die Dinger hier wirklich schrecklich, weil sie so schnell auf Rot springen, dass man buchstäblich über die Straße rennen muss. Sobald die Ampel rot wird, fahren die Autos einfach los, egal, ob man noch über die Straße läuft. Aber im Allgemeinen gab es für mich keinen großen Kulturschock. Berlin und Bogotá sind beide so globalisiert, dass sich mein Leben hier nicht allzu anders ist.

Was war euer Highlight während des Aufenthaltes?

Mora: Auf jeden Fall der PhD-Retreat, zu dem wir im September eingeladen waren. Ich war begeistert von der Energie und der Art und Weise, wie alle ihre Forschung präsentiert haben. Die Qualität der Präsentationen und Poster waren erstaunlich. Außerdem war es für mich das erste Mal, dass ich mit vielen Leuten aus verschiedenen Arbeitsgruppen sprechen konnte. Einige von ihnen hatte ich schon vorher kurz gesehen, aber auf dem Retreat hatte ich wirklich Zeit, sie kennen zu lernen.

Santiago: Für mich auch das Retreat! Aber wenn ich den gesamten Aufenthalt betrachte, war ein Highlight das Berliner Lichterfest vor ein paar Wochen. Das beleuchtete Brandenburger Tor zu sehen, war traumhaft.

Ihr wart für drei Monate unter Forschenden – wie hat der Aufenthalt eure Sicht auf die Wissenschaft verändert?

Santiago: Um ehrlich zu sein, hatte ich bis zu diesem Praktikum keine klare Vorstellung davon, was es bedeutet, zu promovieren. Ich habe das schon früher in Erwägung gezogen, aber der direkte Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Doktorand*innen hier hat meinen Horizont wirklich erweitert. Die Freiheit und die Verantwortung eines Promotionsprojekts haben mich wirklich beeindruckt. Und es war beeindruckend, dass die Promovierenden trotz ihrer vielen Arbeit immer für mich da waren und mir geholfen haben. Nach dieser Erfahrung glaube ich, dass es für mich besser wäre, zunächst einen Master-Abschluss zu machen und dann über eine Promotion nachzudenken. Das erfordert wirklich Reife und Überlegung. Ich habe auch gelernt, dass die eigene Forschung nur so gut ist wie das Engagement, das man dafür aufbringt.

Mora: Das stimmt! Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass Forschung mehr Zeit braucht, als ich bislang dachte. Es ist ein langer, aber lohnender Prozess, der nicht immer in die richtige Richtung geht. Man macht Fehler und muss immer wieder von vorne anfangen. Ich habe gelernt, dass es auch darauf ankommt, wie man mit dieser Frustration umgeht und den Prozess wertschätzt. Für mich ist es noch ein weiter Weg, aber das Praktikum hat mir geholfen, meinen Weg zu gestalten, und ich überlege, in Zukunft zu promovieren.

Habt ihr euch in den Forschungsgruppen willkommen gefühlt?

Mora: Ich hatte eine wirklich gute Zeit im Portugal Lab. Manuela ist Postdoc in der Gruppe und hat mich betreut und mir sehr geholfen. Ich weiß ihren Einsatz wirklich zu schätzen. Es hat schon ein bisschen gedauert, bis ich alle im Labor kennengelernt habe, aber jetzt werde ich sie alle vermissen.

Santiago: Die ersten Tage waren ziemlich überwältigend. Ich war ein wenig ängstlich und dachte, ich wüsste nicht genug und gehöre nicht hierher. Aber Laura, meine Betreuerin, hat sich wirklich gut um mich gekümmert. Sie hat mir klargemacht, dass es in Ordnung ist, wenn man nicht von Anfang an alles weiß. Mit der Zeit habe ich mich wirklich gut in die Gruppe integriert.

Woran habt ihr in den Forschungsgruppen gearbeitet?

Santiago: Ich habe an einem Spin-off-Projekt des Domenech de Cellès Labs gearbeitet und erforscht, welche Auswirkungen die Temperatur und andere Faktoren auf die Übertragungsrate von Krankheiten hat. In den ersten zwei Wochen habe ich viel gelesen und mich mit den Methoden vertraut gemacht, aber dann konnte ich mich in die praktische Arbeit stürzen. Jetzt hoffe ich, dass jemand in der Zukunft mein Projekt aufgreifen wird.

Mora: Am Anfang war es überwältigend, und natürlich hatte ich nicht sofort alle nötigen Skills. Ich musste also viel lesen. Ich habe viel über Datenanalyse gelernt, als ich in der Gruppe von Silvia Portugal an der Persistenz von Malariaparasiten in der Trockenzeit gearbeitet habe. Und ich werde dieses Thema in meiner Bachelorarbeit weiter bearbeiten. Die drei Monate waren großartig, aber nicht annähernd genug Zeit, um ein Projekt wirklich abzuschließen. Aber es war genug, um die Forschungsgruppe zu unterstützen und sich in das Thema einzuarbeiten.

Habt ihr Tipps oder Empfehlungen für Studierende, die sich für das Praktikumsprogramm bewerben möchten?

Mora: Beharrlichkeit! Ich habe mich für so viele Programme beworben und hatte schließlich Glück – aber ich habe auch viel aus den vorherigen Bewerbungen gelernt.

Santiago: Das auf jeden Fall! Was das Praktikum selbst angeht, würde ich hinzufügen, dass es wirklich wichtig ist, keine Angst davor zu haben, viele Fragen zu stellen. Das wird euch in den ersten Tagen und Wochen eine Menge Zeit und Sorgen ersparen. Habt keine Angst davor, etwas nicht zu wissen, und fragt jemanden, anstatt Zeit zu verschwenden.

Es waren nur drei Monate und Berlin ist eine sehr internationale Stadt, habt ihr trotzdem ein paar deutsche Redewendungen aufgeschnappt?

Mora: „Ich spreche kein Deutsch“.

Santiago: „Mit Karte bitte“, den Satz braucht man hier wirklich.

Vielen Dank für das Gespräch und eine gute Heimreise!

Die Fragen stellte Christian Denkhaus

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