Präkanzeröses Gewebe kann mit chronischen Bakterieninfektionen besser fertigwerden

Thomas F. Meyer erhält 2,5 Mio. EUR Zuschuss des Europäischen Forschungsrates (ERC)

17. April 2020

Thomas F. Meyer, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, erhält einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates für sein Projekt "Metaplasia as an adaptive response to chronic microbial infections" über die Rolle bakterieller Infektionen bei der Entstehung von Krebs beim Menschen. Nach seiner Emeritierung am Max-Planck-Institut wird er das Projekt im August 2020 an der Charité - Universitätsmedizin Berlin durchführen.

Die Schleimhautoberflächen des Menschen sind andauernd diversen Umwelteinflüssen ausgesetzt, darunter auch toxischen Substanzen und Mikroorganismen. Insbesondere anhaltende Infektionen mit chronischen Infektionserregern können unseren Schleimhäuten stark zu schaffen machen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die meisten Krebsarten hier ihren Ursprung nehmen. Mehrere bakterielle Erreger wurden bereits als Beteiligte an der Krebsentstehung ausgemacht; Helicobacter pylori ist dafür ein Paradebeispiel. Während die genauen Mechanismen der Krebsentstehung unter dem Einfluss von Bakterien noch immer weitgehend unbekannt sind, so wäre es doch sehr wichtig die ursächlichen Zusammenhänge dieser Prozesse zu verstehen, um geeignete Vorkehrungen gegen diese bedeutsame Krankheit zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund wollen Prof. Thomas F. Meyer und sein Team den Ursachen von mikrobiell induziertem Krebs auf den Grund kommen. Dabei gehen sie von einer interessanten – Klinikern und Pathologen schon lange Jahre bekannten – Beobachtung aus, wonach die Magenschleimhaut im Zuge einer lebenslangen Besiedlung durch H. pylori dazu neigt, sich in eine neuartige Art von Epithel umzuwandeln, welches dann dem Epithel des Darms gleicht. Dieser Prozess wird als intestinale Metaplasie bezeichnet und bildet einen Ausgangspunkt für die Entwicklung von Magenkrebs. Interessanterweise verschwindet in Folge dieser metaplastischen Umwandlung H. pylori von den betroffenen Schleimhautstellen, was gelegentlich auch zur vollständigen Eliminierung der Erreger aus dem Magen führen kann. Demnach kann die Entwicklung einer intestinalen Metaplasie des Magens als ein besonders wirksamer Mechanismus einer mikrobiellen Abwehr angesehen werden. Diese Schlussfolgerung impliziert aber auch, dass sich nach der Etablierung der Metaplasie Krebs auch ohne weitere Einwirkung durch den Erreger entwickeln kann. Prof. Meyer postuliert daher, dass „sich die Magenschleimhaut, auf die Gefahr eines erhöhten Krebsrisikos hin, in einen anderen Schleimhauttyp umwandeln kann, um den potenziell gefährlichen Erreger loszuwerden. Die unmittelbare Gefahr von H. pylori-Infektionen besteht nämlich in der Bildung von Geschwüren, die – einhergehend mit der Zerstörung von Magengewebe –zu starken Blutungen bis hin zu einem Bruch der Magenwand führen kann, einem äußerst gefährlichen Zustand, der umgehender Behandlung bedarf.“

Langfristig kann allerdings eine solche Abwehr des unmittelbar lebensbedrohlichen Zustandes zu einer Erhöhung des Krebsrisikos führen. Um diese durchaus provokative Hypothese zu untersuchen, plant Meyers Team, Veränderungen im menschlichen Magenepithel zu untersuchen, die im Verlauf einer H. pylori-Infektion und der Entwicklung einer intestinalen Metaplasie auftreten. Hier machte das Team bereits eine interessante Beobachtung, welche die vorgenannte Hypothese stützt: Die Forscher zeigten, dass eine bestimmte Krebsmutation, die im Verlauf einer H. pylori-Infektion und der Entwicklung einer intestinalen Metaplasie des Magens häufig auftritt, das Epithel in die Lage versetzt, wirksame antimikrobielle Faktoren zu produzieren. Diese Beobachtung bildet einen wichtigen Ausgangspunkt für Meyers Forschungsvorhaben, im Rahmen dessen die molekularen Zusammenhänge zwischen (i) den genomischen Mutationen und epigenetischen Veränderungen, die von Krankheitserregern in den Epithelzellen verursacht werden, (ii) den antimikrobiellen und gewebeschützenden Wirkungen, die durch solche genomischen Veränderungen ausgelöst werden, und (iii) die damit verbundene Erhöhung des Krebsrisikos aufgeklärt werden sollen.

Im Erfolgsfall wird dieses anspruchsvolle Vorhaben nicht nur zu einem Paradigmenwechsel für unser Verständnis der Entstehung bestimmter menschlicher Epithelkarzinome führen, sondern auch eine völlig neue Ebene der Immunabwehr aufzeigen, die neben den wohlerforschten und bereits bekannten Bereichen der angeborenen und adaptiven Immunität besteht. Letztendlich wird diese Forschung neue Wege der Krebsprävention aufzeigen, indem sie dazu beiträgt, die Kausalität von Krebserkrankungen beim Menschen aufzudecken.

Thomas F. Meyer ist Direktor der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Er ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Wechselwirkungen zwischen Wirt und Krankheitserregern und Mitglied der EMBO und der Deutschen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Seinen Forschungsschwerpunkt richtete er in letzter Zeit verstärkt auf die Rolle bakterieller Infektionen bei der Krebsentstehung. Die prestigeträchtigen 5-jährigen Advanced-ERC-Zuschüsse für besonders etablierte Forscher wurde in diesem Jahr an weniger als 10% der Antragsteller verliehen. Es ist das erste Mal, dass diese Forschungszuwendung einem Mitglied des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie seit seiner Gründung gewährt wird. Im Zuge seiner in diesem Jahr bevorstehenden Emeritierung wird Prof. Meyer seine Forschung an der Charité Universitätsmedizin Berlin fortsetzen, wo derzeit ein neues Labor entsteht.

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