Ernst-Hellmut-Vits-Preis an Stefan Kaufmann verliehen

10. November 2022

Die Universitätsgesellschaft Münster würdigt den Max-Planck-Wissenschaftler für seine Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Infektionsbiologie. Kaufmann untersucht die Erreger von bedrohlichen Seuchen, entwickelt Impfstoffe und identifiziert Biomarker zur besseren Diagnose und Prognose von Erkrankungen. Bei der feierlichen Preisverleihung am 8. November erhielt der Emeritus-Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und des Berliner MPI für Infektionsbiologie die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung.

„Die herausragenden Forschungen und Publikationen von Stefan Kaufmann sind die Basis für weitergehende Entwicklungsarbeiten zur Therapie von Infektionskrankheiten und damit die Basis für die Heilung unzähliger Menschen. Wir sind sehr stolz, Stefan Kaufmann mit dem Vits-Preis 2022 für sein Lebenswerk auszeichnen zu dürfen“, betont Paul-Josef Patt, Vorsitzender der Universitätsgesellschaft Münster und Mitglied des Preisrichterkollegiums. 

Er sei außerordentlich glücklich und dankbar über die Verleihung und freue sich, dass er sich damit in eine Riege beeindruckender Preisträger*innen einreihen dürfe, so Kaufmann. Er unterstreicht, dass diese Art der Forschung nicht das Werk eines Einzelnen sei, sondern das gesamte Team beigetragen hätte, dem er herzlich für seinen Einsatz danke. 
Seine Wissenschaftskarriere widmet der Infektionsbiologe der Erforschung von übertragbaren Krankheiten. Einen besonderen Schwerpunkt setzt er dabei auf Tuberkulose. 2020 erkrankten 10 Millionen Menschen weltweit daran, rund 1,5 Millionen verstarben. Damit ist Tuberkulose eine der weltweit tödlichsten Infektionskrankheiten. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen tritt sie häufig auf.

Bis heute existiert ein einziger Impfstoff gegen Tuberkulose: Bacillus Calmette Guérin (BCG). Dieser Impfstoff enthält abgeschwächte Erreger der Tuberkulose bei Rindern. „Wir wissen, dass er allerdings nur Kleinkinder zu schützen vermag und auch da nicht immer“, erklärt der Preisträger. Seit den 1990er-Jahren arbeitet er mit seinem Team bereits an einem verbesserten Nachfolger. Dazu hat er den abgeschwächten Impfstamm BCG genetisch so verändert, dass Immunzellen die Erreger besser erkennen können. 

Dieser neue Impfstoff, VPM1002 genannt, befindet sich derzeit in drei klinischen Phase-III-Studien auf Schutzwirkung und Sicherheit. In zwei Studien werden erwachsene Proband*innen in Indien auf Schutz gegen Tuberkulose getestet. Sie sollen im nächsten Jahr abgeschlossen werden und Kaufmann ist hoffnungsvoll: „Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Impfung mit VPM1002 sicherer und wirksamer ist als eine Standardimpfung mit BCG.“ 

Kürzlich zeigte zudem eine dritte Studie in Südafrika, dass der Impfstoff-Kandidat bei Neugeborenen mit und ohne HIV-Exposition gleichermaßen sicher ist und im Vergleich zu BCG weniger Nebenwirkungen hat. „In zwei bis drei Jahren werden wir wissen, ob unser neuer Impfstoff hält, was er verspricht, nämlich sicheren Schutz für Säuglinge und Erwachsene vor der Tuberkulose.“

Neben seiner Forschungsarbeit setzt sich der Preisträger intensiv für eine gerechtere globale Impfstoffverteilung ein. Er engagiert sich auf verschiedenen Ebenen dafür, dass Impfstoffe auch ärmsten Ländern zugutekommen und unterstützt Länder in Afrika darin, immunologische und infektionsbiologische Kompetenz aufzubauen. 

Zudem möchte er das Wissen über Infektionskrankheiten in der Öffentlichkeit fördern. So verfasste er mehrere allgemeinverständliche Bücher zu Covid-19 und Impfstoffen. Bereits 2008 warnte er in seinem Buch „Wächst die Seuchengefahr?“ vor der Bedrohung einer Pandemie und zeigte Lösungsvorschläge zur Früherkennung und raschen Eindämmung von Ausbrüchen neuer Krankheitserreger auf. 

Über Stefan H. E. Kaufmann

Stefan Kaufmann studierte Biologie an der Universität in Mainz, promovierte dort 1977 und habilitierte sich vier Jahre später an der Freien Universität Berlin. Von Berlin wechselte er für sechs Jahre an das Freiburger MPI für Immunbiologie. 1987 folgte er dem Ruf an die Universität Ulm. 1993 kehrte er zur Max-Planck-Gesellschaft zurück mit dem Auftrag, das MPI für Infektionsbiologie in Berlin zu gründen. Dort leitete er bis zu seiner Emeritierung 2019 die Abteilung Immunologie und ist weiter als Emeritus-Direktor am Berliner Institut und am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften wissenschaftlich aktiv. Seit 1998 ist er zudem Honorarprofessor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und seit 2018 gewähltes Mitglied des Hagler Institute for Advanced Studies, Texas A&M University, College Station, USA. Für seine Forschung wurde Kaufmann vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Smith Kline Beecham-Wissenschaftspreis, dem Merckle-Forschungspreis und dem Gardner Middlebrook-Preis. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der European Molecular Biology Organization. In seiner bisherigen Karriere veröffentlichte Kaufmann mehr als 900 wissenschaftliche Arbeiten und Artikel. 

Über den Ernst Hellmut Vits-Preis

Seit 1970 vergibt die Universitätsgesellschaft Münster die Auszeichnung im zweijährigen Turnus an Personen, die hervorragende Beiträge in den Naturwissenschaften, der Medizin oder den Geisteswissenschaften geleistet haben. Gewürdigt werden sowohl Einzelleistungen als auch Lebenswerke. Der Preis ist nach dem langjährigen Vorsitzenden der Universitätsgesellschaft Ernst Hellmut Vits benannt. 

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