„Plötzlich waren auch Infektionsbiologen an unserer Forschung interessiert“

Die neue Max-Planck-Fellow Simone Reber im Interview

25. April 2023

Seit dem ersten Januar ist Simone Reber Max-Planck-Fellow am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Mit ihrer Arbeitsgruppe „Quantitative Biologie“ erforscht sie, wie die Untereinheiten von Zellen organisiert sind und welche biochemischen und physikalischen Prinzipien hinter dieser Selbstorganisation stecken. Im Interview erklärt Simone, mit welchem Forschungsprojekt sie sich die Welt der Infektionsbiologie erschlossen hat und was es mit dem Gruppennamen „Quantitative Biologie“ auf sich hat.

Willkommen am Institut, Simone. Wie kam es, dass du Max-Planck-Fellow geworden bist – was bringt dich an unser Institut?

Das englische Wort dafür ist wohl Serendipity – eine Art glücklicher Zufall. Im eigentlichen Sinne bin ich gar keine Infektionsbiologin. Meine Gruppe arbeitet an der Frage, wie Organellen, also intrazelluläre Organe, ihre Materialeigenschaften und Geometrie regulieren. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die mitotische Spindel. Wenn sich eine Zelle durch Mitose teilt, dann muss auch ihr Erbgut aufgeteilt werden. Dazu bildet sich die mitotische Spindel, die die Chromosomen auseinanderzieht und auf die beiden neuen Zellen aufteilt. Die Spindel muss für diese Aufgabe lang und elastisch genug sein, sonst werden die Chromosomen falsch aufgeteilt und es entstehen zum Beispiel Trisomien.

Um diese Materialeigenschaften zu erforschen, haben wir die einzelnen Fasern der Spindel genauer unter die Lupe genommen, die sogenannten Mikrotubuli. Die sind ein beliebtes Angriffsziel von Chemotherapien, zum Beispiel gegen Krebs, da man durch die Mikrotubuli direkt die Zellteilung beeinflussen kann. Unsere Überlegung war, ob man dieses Angriffsziel nicht nur wie bei der Chemotherapie gegen unsere eigenen Zellen, sondern auch gegen Parasiten nutzen kann.

Meiner Forschungsgruppe ist es dann gelungen Tubulin, den Einzelbaustein von Mikrotubuli, aus Parasiten aufzureinigen – genauer aus Plasmodium, dem Parasiten, der Malaria auslöst. Wir haben schon Tubulin von verschiedenen Organismen aufgereinigt, für uns war das also gar nicht so besonders. Mit der Publikation die wir dazu 2021 veröffentlicht haben, hatten wir aber auf einmal eine ganz neue Peer Group. Plötzlich waren auch Infektionsbiologen an unserer Forschung interessiert und das war ein Anstoß für meine Bewerbung auf das Max-Planck-Fellowship.

Weil es am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie auch einen Malaria-Schwerpunkt gibt?

Das war einer von zwei Gründen. Zum einen passt unsere Forschung im Bereich von Parasiten-Tubulin auch zu den Fragestellungen von Silvia Portugal und Elena Levashina, die beide Malaria-Forschungsgruppen leiten. Zum anderen gibt es auch Forschungsgruppen, mit denen wir methodische Überschneidungen haben. Unser Forschungsansatz ist die quantitative Biologie und vor allem die quantitative Bildgebung – hier am Institut arbeiten Marcus Taylor und Olivia Majer in ganz ähnlichen Bereichen.  

Du bist seit dem ersten Januar Fellow, was waren deine ersten Schritte?

Wir haben zuerst unser Mikroskop aufgebaut. Das ist selbstgebaut, deswegen gibt es keine Anleitung zum einfachen Auf- und Abbauen. Wir mussten sichergehen, dass alles wieder läuft und dass wir unsere Messungen reproduzieren können.

In der Forschung ist unser erster Schritt, dass wir das Parasiten-Tubulin von dem ich erzählt habe in größeren Mengen aufreinigen wollen. Dafür müssen wir ein Protokoll etablieren. Wenn man biochemisch mit Malaria-Parasiten arbeitet genügen eigentlich fünf bis zehn Milliliter Blut, in dem die Parasiten kultiviert werden. Aber wir wollen ja aus den Parasiten das Protein Tubulin aufreinigen und dafür brauchen wir um die fünf Liter Blutzellkultur – das ist ein ziemlicher Sprung und lässt sich nicht einfach skalieren. Einen Muffin zu backen ist etwas anderes als eine Torte mit zehn Meter Durchmesser herzustellen. Da muss man andere Dinge beachten und so ist es auch mit der Zellkultur. Was mit zehn Milliliter funktioniert muss nicht in fünf Litern funktionieren. Das ist also unser nächster Schritt hier am Institut.

Deine Arbeitsgruppe heißt "Quantitative Biologie" – was steckt hinter diesem Namen?

Der Name meiner Gruppe „Quantitative Biologie“ beschreibt in erster Linie unsere Herangehensweise an biologische Forschung. Wo früher – vereinfacht gesagt – ein einzelnes Mikroskopiebild einer Zelle zur Kontrolle genügt hat, wollen wir Dinge messbar machen. Das Anliegen moderner Zellbiologen sollte sein, alles was man bei Experimenten herausfindet auch zu quantifizieren. Wir wollen messen, Daten analysieren, Statistiken erstellen und Modelle entwickeln und so verstehen, wie viel Physik in Zellen steckt.

In einem unserer Projekte messen wir zum Beispiel, wie dicht verschiedene Bereiche einer Zelle sind. Um die Prozesse in der Zelle zu verstehen, müssen wir verstehen unter welchen Bedingungen sie stattfinden – dazu gehören auch Materialeigenschaften wie Dichte. Es macht einen großen Unterschied, ob eine Reaktion in wässriger Lösung oder in einer zähflüssigen Substanz stattfindet. So wie es einen Unterschied macht, ob man in einem normalen Pool schwimmen will oder in einem, der mit Honig gefüllt ist.

Bislang konnte man diese spezifische Dichte von Bereichen der Zelle, wie zum Beispiel dem Zellkern, aber nicht bestimmen. Wir haben dafür ein eigenes Mikroskop gebaut und eine eigene Software entwickelt und konnten so zeigen, dass der Zellkern weniger dicht ist als das ihn umgebende Zellplasma. Ein überraschender Befund, denn bislang ging man davon aus, dass der Zellkern – in dem immerhin meterweise DNA eng gepackt ist – dichter ist, als der Rest der Zelle. Nach unserer ersten Messung sind wir deswegen auch von einem Ausrutscher ausgegangen, spezifisch für die Zellart, die wir untersucht haben. Wir haben dann aber viele befreundete Forschungsgruppen gebeten, uns ihre „Lieblingszelle“ zu schicken und deren Kerne ebenfalls vermessen. Und siehe da, auch bei zehn verschiedenen Organismen, von Mensch bis Fruchtfliege, war der Zellkern immer weniger dicht als der Rest der Zelle. Das hat uns und viele andere überrascht.

Das zeigt ja nochmal – ähnlich wie beim Tubulin – dass eure Forschung für viele Bereiche der Biologie interessant ist.

Genau, das betrifft erstmal fast jeden Zellbiologen, weil fast jede eukaryotische Zelle einen Zellkern hat. Und von dessen Materialeigenschaften hängen mit Sicherheit viele essenzielle Prozesse zwischen Kern und Zellplasma ab.

Du hast schon am Max-Planck-Institut für Zellbiologie und Genetik gearbeitet. Wie ist es jetzt wieder in der Max-Planck-Gesellschaft zu sein?

Ich freue mich! Dass ich nicht gefragt wurde, in welcher Farbe meine Zellkultur gestrichen werden soll, war gerade alles. Aber Spaß beiseite, ich war an vielen großen Forschungseinrichtungen und ich weiß die Unterstützung in diesen Institutionen sehr zu schätzen. Vor allem freue ich mich aber, dass auch meine Leute in den Genuss der vielen Vorteile der Max-Planck-Community kommen.

Was begeistert dich an Forschung?

Am meisten Spaß macht es mir, mit anderen über Forschung zu reden und zu diskutieren. Mich interessiert selbstverständlich meine Forschung, aber ich diskutiere genauso gerne in Promotionskomitees wie man die Forschung von Doktoranden voranbringen kann. Für mich ist Forschung vor allem die Zusammenarbeit mit Menschen, die ein ähnliches Mindset haben, interessante Fragen stellen und Spaß dabei haben.

Die Fragen stellte Christian Denkhaus

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