Wie etabliert sich das Mikrobiom im Baby?

11. August 2023

Mit der Babybiom-Studie wollen wir verstehen, wie die Mikroflora in Neugeborenen entsteht und welche Rolle die Familie dabei spielt. Wir suchen Schwangere und ihre Familien zur Studienteilnahme. 

Wenn ein Mensch geboren wird, entwickelt sich das Mikrobiom – die Gesamtheit der Mikroorganismen in und auf dem Körper. Unser Mikrobiom baut sich mit der Geburt auf und spielt lebenslang eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit. Dennoch wissen wir nur wenig über die Mechanismen, warum uns ein bestimmter Mikroorganismus besiedelt oder nicht. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat die Forschungsgruppe von Felix Key am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie jetzt die Babybiom-Studie gestartet.

Hierzu rekrutiert das Team Familien, die ein Kind erwarten. Von der Geburt bis zum ersten Geburtstag des Kindes sollen die Familien insgesamt acht Mal Proben von jedem Familienmitglied sammeln. Mit diesen Proben möchte die Forschungsgruppe die Übertragung von Mikroben innerhalb von Familien verstehen und hofft, die Faktoren zu entschlüsseln, die Mikroorganismen die Besiedelung des Baby-Mikrobioms erleichtern. Das Team sucht derzeit nach interessierten Familien, die an der Studie teilnehmen möchten.

Weitere Informationen über die Studie und Hinweise zur Teilnahme finden Sie auf der Projektwebsite. Mehr zum wissenschaftlichen Hintergrund der Studie und warum sich die Teilnahme lohnt, erfahren Sie im Interview mit Studienleiter Felix Key.

 

Fotostrecke: So werden die Proben am Institut verarbeitet

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Die Proben unserer Studienteilnehmenden kommen per Post zu unserem Labor. Stuhl- und Speichelproben sind luftdicht in kleinen Röhrchen aufbewahrt.
 

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Im Labor werden die Proben weiterbearbeitet. Ein Teil geht sofort in den Gefrierschrank, um später die Zusammensetzung der verschiedenen Bakterienarten zu bestimmen. Der Rest wird auf Platten mit Nährmedium ausgestrichen, um die Proben zu kultivieren. Diese aufwendige Arbeit übernimmt dankenswerterweise ein Roboter in unserem Labor.

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Je nach Nährstoffzusammensetzung können nur bestimmte Bakterienarten auf den Platten wachsen. So können wir die gesuchten Bakterien gezielt isolieren. Diese sogenannten Selektionsplatten sind leicht an den unterschiedlichen Farben ihrer Nährmedien zu unterscheiden.

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Mit der richtigen Verdünnung wachsen die Bakterien nur noch als vereinzelte Kolonien, wobei jede Kolonie von einem einzigen Bakterium ausgeht – auf der Platte sind diese als Punkte zu erkennen. Hier können wir nun viele einzelne Kolonien entnehmen und so die Diversität einer Bakterienart entschlüsseln.

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Entschlüsseln heißt, wir lesen den Bauplan – das Genom – der Bakterien aus. Dieser Bauplan ist in Form der DNA im Bakterium gespeichert. Wir nutzen die natürliche Fähigkeit der Bakterien zur DNA-Produktion aus um genug Material zu bekommen. Dafür streichen wir jede Bakterienkolonie nochmal auf einem Nährmedium aus.

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Nach diesem Schritt folgt die Lagerung. Wir sammeln die Proben verschiedener Zeitpunkte, um sie später gemeinsam zu analysieren. Dafür wird jedes Bakterium mit einem Wattestäbchen auf zwei Röhrchen aufgeteilt. Eines um die DNA zu gewinnen und eines um das Bakterium zu lagern. Alle Röhrchen werden nummeriert und dem Namen des Bakteriums beschriftet.

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Damit die Bakterien lange haltbar sind, frieren wir sie bei -80°C ein. Die Röhrchen enthalten eine Art Frostschutzmittel wodurch die Bakterien überleben. Dadurch können wir später weitere Untersuchungen mit den Bakterien machen, je nachdem was wir Spannendes im Bauplan gefunden haben.
 

 

Wie entsteht das Mikrobiom? Babybiom-Studienleiter Felix Key im Interview

Herr Key, was ist eigentlich ein „Babybiom“?

Felix Key: Mikrobiom oder Mikroflora bezeichnet die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in uns Menschen leben. Wir haben unsere Studie „Babybiom“ genannt – eine Wortneuschöpfung aus Baby und Mikrobiom – einfach um auszudrücken, dass wir mit der Studie die Entstehung des Mikrobioms in Säuglingen untersuchen wollen.

Was sind das für Mikroorganismen?

Mikroorganismen ist ein Oberbegriff und beinhaltet letztlich alle mikroskopisch kleinen Lebewesen – von Bakterien und Viren bis hin zu Hefen oder Pilzen. Der Fokus unserer Studie liegt auf Bakterien, die besonders häufig bei uns Menschen vorkommen und eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei der Verdauung oder der Verdrängung krankmachender Bakterien.

Warum untersucht ihr diese Bakterien speziell bei Babys? 

Wir wissen, dass ein Baby, bis vor der Geburt nicht von Bakterien besiedelt ist. Im Laufe des ersten Lebensjahrs etabliert sich dann nach und nach ein stabiles Mikrobiom. Diesen einzigartigen Umstand in unserer Entwicklung wollen wir nutzen, um zu verstehen, wie die Besiedelung abläuft. Uns interessiert besonders, welche Faktoren die erfolgreiche, langfristige Besiedelung eines Bakteriums ermöglichen.

Unsere Forschung ist aber nicht nur für Babys relevant. Im Laufe unseres Lebens kann es immer wieder zu Neubesiedelungen unseres Mikrobioms kommen. Ungesunde Ernährungsgewohnheiten oder Medikamente bringen unser Mikrobiom durcheinander. Zum Beispiel kann uns ein „schlechtes“ Bakterium besiedeln nachdem durch Antibiotika „Platz“ geschaffen wurde.  

Wir wollen verstehen wie die (Wieder-) Besiedelung gewünschter Bakterien erfolgreich unterstützt werden kann. Ein großes Thema hierbei sind Prä- und Probiotika, also Substanzen die die gewollten Bakterien fördern oder direkt lebende Bakterien einbringen. Beides steckt allerdings sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen. Wir sind erst am Anfang, die komplizierten Prozesse innerhalb der Gemeinschaft an Bakterien, zum Beispiel in unserem Darm, zu verstehen. Hier soll unsere Forschung entscheidende Impulse geben, wie wir ein stabiles und gesundes Mikrobiom fördern können.

Woher stammen die Bakterien, die ein Baby besiedeln?

Aus anderen Studien wissen wir bereits, dass viele Bakterien im Mikrobiom von Babys von ihren Müttern kommen. Das passiert ganz natürlich, durch gemeinsames Kuscheln und Spielen. Die naheliegende Rolle aller anderen Familienmitgliedern ist bisher nicht untersucht. Diese Lücke wollen wir schließen. Vor allem aber wollen wir testen, ob die Besiedelung zufällig stattfindet oder ob es Faktoren gibt, die bestimmten Bakterien eine langfristige Besiedelung erleichtern. Dazu muss man verstehen, dass sich die Bakterien in uns unterscheiden, auch wenn sie von derselben Art sind. Ganz wie bei uns Menschen. Wir gehören alle zur gleichen Spezies, sind aber doch alle unterschiedlich.

Und wie wollt ihr die Rolle der Vielfalt der Bakterien im Mikrobiom verstehen?

Dafür nutzen wir Proben des Babys, der Geschwister und der Eltern mit lebendigen Bakterien die über einen langen Zeitraum regelmäßig gesammelt wurden. Wir lassen verschiedene Bakterienarten in unserem Labor anwachsen und können dann einzelne Individuen isolieren. Wenn wir dann den Bauplan – das Genom – in Form von DNA auslesen, können wir die feinen Unterschiede innerhalb der Population erkennen. Dafür erstellen wir für die verschiedenen Bakterienarten Stammbäume und bestimmen von welchem Familienmitglied sie kommen und ob bestimmte Eigenschaften vorteilhaft für die Besiedelung waren.

Weil wir Proben über das gesamte erste Lebensjahr nehmen, können wir hoffentlich auch zeigen, wie sich diese Bakterien im Baby verändern. Denn eine Besiedelung ist häufig dynamisch, es kommen immer wieder neue Bakterien dazu, gegen die sich die vorhandenen behaupten müssen. Anhand dieser Veränderungen wollen wir die Faktoren identifizieren, die eine stabile Besiedelung möglich machen.

Mit wie vielen Proben rechnet ihr dabei?

Wir wissen, dass die Art der Geburt einen Einfluss auf das Mikrobiom des Babys hat. Darum möchten wir bei der Babybiom-Studie Kaiserschnittgeburten und normale Geburten untersuchen. Zusätzlich interessiert uns der Einfluss von Schwangerschaftsdiabetes auf das Mikrobiom des Kindes. In all diesen Gruppen hoffen wir auf je 30 teilnehmende Familien – also Geburten mit und ohne Kaiserschnitt und Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes, die mit und ohne Kaiserschnitt gebären – insgesamt sind das 120 Familien. Bei acht Probenzeitpunkten und durchschnittlich vierköpfigen Familien kommen wir damit auf rund 4000 Speichel- und Stuhlproben. Das ist natürlich eine Menge und erfordert umfangreiche Planung und Logistik. Allein die Probennahme dauert ja bis zu einem Jahr. Die Auswertung hat für die ersten Familien bereits begonnen und schrittweise werden weitere Familien hinzugefügt. Wir rechnen damit, die ersten Ergebnisse 2025 zu präsentieren.

Warum sollten Familien an der Babybiom-Studie teilnehmen?

Wir wissen seit langem, wie wichtig das Mikrobiom für unsere Gesundheit ist und dass es von vielen Faktoren beeinflusst wird, wie Geburt, Ernährung, und Medikamenten. Was wir aber nicht wissen, ist wie wir das Mikrobiom beeinflussen können, um zum Beispiel eine Besiedelung mit gewünschten Bakterien gezielt zu unterstützen. Teilnehmende unserer Studie können einen Teil dazu beitragen diese Forschungslücke zu schließen. Wer mitmacht wird Teil eines spannenden Projektes zur Erforschung der Grundlagen unseres Mikrobioms und wird natürlich über die Fortschritte unserer Forschung informiert.

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